Am Tag nach unserem Ausflug soll ich nach Shaoxing zurückfahren. Erst heißt es, ich könnte vormittags noch eine Stadtbesichtigung machen, dann heißt es plötzlich, sie hätten einen Zug um 11:00 gebucht. Ich kapier es nicht. Aber was soll’s. Ich kann schlecht dagegen argumentieren. Später heißt es: ich fahre doch mit dem Zug um 15:15. Die Stadtbesichtigung findet statt. Der Grund für das Hin- und Her war: China feiert ab heute das Chingming Fest. Halb China ist unterwegs und die Züge sind voll. Sie haben für 15:15 Uhr keinen Platz bekommen und daher den früheren Zug gebucht. Allerdings kam man sich hier offenbar auf eine Warteliste setzen lassen. In dem Zug um 15:15 Uhr ist plötzlich ein Platz freigeworden. Ich rücke also nach und damit stornieren wir denn früheren Zug. Cool!
Von der Innenstadt hatte ich mir nicht allzu viel erwartet. Also, schon, dass sie malerisch ist, aber eben auch, dass sie aus ähnlichen Holzhäusern besteht, wie viele Städte, die ich schon besucht habe. Ich erlebe eine Überraschung: Fuzhou hat eine Geschichte, die sich über 2500 Jahre erstreckt. Und viele Häuser, die aus der Ming Dynastie stammen und aus Stein gefertigt sind. Die Gegend um „Drei Straßen und sieben Gassen“ umfasst auch mehrere Museen, die ehemals Wohnhäuser waren. Das Haus der Architektin Lin Huiyin ist eine Sensation. Die Dachfirste um die vielen Innenhöfe wirken wie die Rückenschuppen eines Drachen, der sich über die Dächer windet.
Gemeinsam gehen wir ein letztes Mal Mittagessen. Professor Chen serviert anschließend Tee in einer kleinen Teezeremonie. Es ist richtig nett.
Was nicht so nett ist, sind die Kopfschmerzen, mit denen ich immer noch kämpfe. So langsam kriege ich eine Krise, die Nächste sind besonders heftig. Sammi macht sich Sorgen und schreibt mir „Sobald du zurückkommst kriegst du eine Massage!“. Sammi ist einer der patentesten Frauen, die ich kenne. Sie war noch nie im Ausland, kann sich aber darin einfühlen, was ich gerade brauche. Sie hat absolut keine Berührungsängste. Sie wäscht meine Wäsche, zählt bei der Gelegenheit meine Socken, verkündet, wenn eine fehlt, kauft Stoffe, ringt Snacks vorbei, organisiert meine Reisen und macht jedem Ansprechpartner in anderen Universitäten klar, dass zu der Vereinbarung gehört, dass ich ein Sightseeing-Programm bekomme. Sammi ist klasse.
Die Fahrt dauert knapp 5 Stunden und führt nochmal durc die Schlammfelder in der Nähe von Xiapu, in denen Muscheln gezüchtet werden. Es ist kurz vor 21:00 Uhr, als ich in Shaoxing ankomme. An der Sperre zur Bahnhofshalle warten Sammis Söhne, um mir mit meinem Gepäck zu helfen. Der Ältere, Lee Ju Han, ist mittlerweile 14 und spricht ganz gut Englisch.
Sammi fährt mich nicht zum Hotel, sondern zu sich nach Hause. „Hast du Hunger? Mein Vater hat gekocht!“ – Wow! Ich war zwar schon öfter in ihrer Nachbarschaft, aber noch nie bei ihr zuhause. Einladungen in die Privatwohnungen sind in Asien eher selten. Darauf, dass mich Sammi zu sich einlädt, kann ich mir was einbilden. Es kommt noch besser.
Nach dem Essen sagt sie: „So, und jetzt bring ich dich zur Massage.“ – Es ist bereits nach 22:00 Uhr. Wo bekommt man um diese Uhrzeit eine Massage? Im Thai-Salon um die Ecke. Dort wartet eine 2-er Kabine auf uns. „Lässt du dich auch massieren?“ frage ich. „Klar!“. Ok. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Es kommt noch besser.
Die Masseurin legt uns zwei Tücher auf unsere Matratzen und geht. Sami fängt an, sich auszuziehen. „Alles?“ frage ich. „Alles“. Ok. Zwei Minuten später steht sie in meinem Raum. Ich splitterfasernackt. Sie in einem T-Shirt und einer kurzen Hose. Die Tücher, die man uns gebracht hat, sind in Wirklichkeit Massageklamotten. Man lernt nicht aus. Seelenruhig schaut sie zu, wie ich in meine Klamotten schlüpfe.
Die Masseurin kommt wieder und wäscht uns erstmal die Füße. Danach nochmal aufs Klo. Die Kabine lässt sich nicht absperren. Sami latscht rein, als ich auf dem Klo hocke. Sie geht auch gleich wieder, aber sonderlich peinlich scheint es ihr nicht zu sein. Ich gehöre anscheinend mittlerweile zur Familie.
Die Massage fängt bei den Beinen an, geht dann zum Po, zum Rücken, zu den Armen und dann zum Kopf. Sammi legt während der Massage das Handy kaum aus der Hand. Bei den Beinen klebe ich hingegen vor Schmerzen schier unter der Decke. Der Rest ist ganz erträglich. Die Kopfschmerzen werden leichter, sind aber nicht ganz weg. Aber im Laufe der kommenden 2 Tage scheinen sie tatsächlich weniger zu werden. Hoffentlich. 14 Tage reichen. Dafür fühlt sich jetzt mein rechtes Bein komisch an. Es ist zum irre werden