Ningbos Pendant zu dem berühmten West Lake bei Hangzhou ist der Dongqian Lake. Er ist zwar größer als sein Kollege, aber weniger bekannt. Das muss ja nichts heißen, also bin ich heute mit der U-Bahn dorthingefahren – selber gucken gehen.
Wie so oft fand ich die Recherche im Vorfeld ziemlich mühsam (Fahrrad mieten, wenn ja, wie geht das, lieber mit dem Schiff fahren, Bus oder doch ganz anders?), also habe ich beschlossen, dass es sich vor Ort bestimmt alles klären wird. Dort angekommen befand ich mich in einer Fußgängerzone. Also zog ich zu Fuß los. Der Weg endete nach ca. einem Kilometer bei einem Parkplatz. Eine Straße führte zwar über einen Damm, die hatte auch theoretisch einen Bürgersteig für Fußgänger und Mofas, aber so ganz geheuer war mir der nicht. Umkehren war doof. Also bin ich auf der Außenseite der Leitplanke weitergelaufen. Das war auch doof. Aber lieber rutsche ich ab und werde nass, als dass ich mich von einem Mofa umnieten lasse. Über diesen Damm laufen wirklich nur Blöde, das Bergschaf Trulla und ich. Für den Rückweg muss ich mir dringend etwas einfallen lassen. Der See ist zu groß, um ihn komplett zu umrunden, also muss ich irgendwie anders zurück.
Der Weg hatte schließlich ein Ende und so kam ich am ersten Tempel des Tages an. Es sollten viele weiter folgen. Aber in diesem Tempelkomplex war ich komplett alleine.
Die Statue beherrscht den gesamten See, daher wundert es mich, dass nicht mehr Leute da waren. Zu der Tempelanlage gehörten auch die Drachenboote, die ich als Titelbild für diesen Beitrag gewählt habe. Leider ist die „Saison“ für Drachenbootrennen erst im Sommer. Das rechte Bild sind übrigens Räucherstäbchen.
Der Weg führte weiter in ein Fischerdorf. Ich denke, jetzt bin ich wirklich im authentischen, echten China angekommen.
Der Herr links verkauft Snacks, die ich noch nie gesehen habe. Alle sehen sehr aufgeschäumt aus, ich hatte vermutet, dass es sowas ist wie Kropuk und war daher nicht sonderlich angetan. Er hat mir dann aber drei geschenkt. Das Zeug ist süß und verschwindet sofort im Mund, ähnlich wie Zuckerwatte, nur nicht so süß. Gar nicht schlecht.
Daneben saßen im Dorf mehrere Leute, die Schnecken aufgeknackt haben. Überhaupt scheint sich das Leben viel auf der Straße abzuspielen. Die Menschen hier würde ich als laut und fröhlich beschreiben. Überall hört man jemanden, der gerade singt oder sieht man Gruppen, die irgendwelche Brettspiele spielen, selbst in der Tempelvorhalle. Sie sind außerdem alle genauso entgegenkommend wie mein verhinderter Kropkuk-Verkäufer..
Das heißt: so lange, bis es an die verflixten Mofas geht. Mit der Zeit waren immer mehr Leute in den Gassen unterwegs. Ich war eindeutig nicht mehr alleine. In einer Gasse habe ich mich zur Seite gedrückt, um ein Tuk-Tuk vorbeizulassen und dachte mir noch „Wenn der es schafft, sich hier durch das Gedränge zu schlängeln, dann Hut ab!“ – da war es auch schon passiert. Unmittelbar vor mir hat das Tuk-Tuk ein Mofa mitgenommen. Oder umgekehrt. Auf jeden Fall böses Foul auf beiden Seiten. Ich weiß, warum ich heute Morgen auf der Außenseite der Leitplanke gelaufen bin.
Das Gedränge wird immer größer, bis fast kein Durchkommen mehr ist. Alles staut sich um diesen Kirschbaum, der anscheinend sehr bekannt ist, weil er so groß ist. In den Zweigen hängen Segenswünsche.
Noch ein kleines Stück weiter, dann komme ich zu dem Damm, der eine Insel in der Mitte des Sees mit den beiden Ufern verbindet.
Auf der Insel befindet sich die Guanyin Statue und gegenüber der buddhistische Tempel. Wieder findet man unmengen an Segenswünschen an Gestellen, die links und rechts aufgestellt sind.
In dem Kloster hat es mir der „Osterhase“ auf dem Platz angetan. Das Getümmel hat sich längst verlaufen. Auf dem Damm sind lange Bänke im Zick-Zack angeordnet, wo die Leute lesen oder einfach nur einen Tee genießen.
Der gesamte Damm ist Fußgängerbereich. Endlich keine Mofas, auch keine Fahrradfahrer, hier sind höchstens ein paar Golf-Carts von den Angestellten unterwegs.
Damit ihr den folgenden Teil der Geschichte versteht, muss ich hier mal eine Karte einfügen. Die rote Linie zeigt den Weg, den ich bis hierher gegangen war. Das waren ca. 10 km. Auf dem Plan seht ihr auch eine Pagode. Der West Lake hat auch so eine Pagode, mit 7 Stockwerken, ganz toll ausgestattet, mit Aufzug und allem. Sie ist eine der Hauptseenswürdigkeiten des West Lake, und trotzdem hätten wir sie damals beinahe verpasst. Das sollte mir dieses Mal nicht passieren. Ich wollte zur Pagode. Auf der Karte ist gar kein Weg eingezeichnet. Tatsächlich führt aber eine Nebenstraße in die Richtung (orange markiert). Warum das nur eine Nebenstraße war, fand ich zwar merkwürdig, aber Hey!, die werden’s schon wissen. Also los. Sind ja nur 2,5 km.
Das war ein Irrtum. Die Angabe bezog sich auf einen anderen Tempel. Der Weg zur Pagode wurde jetzt ein Schotterweg (gelb markiert) von nochmal 2,5 km. Schotterweg! Ich denk ich werd nicht mehr. Es hat 27° draußen, die Füße tun mir weh, aber was soll’s jetzt bin ich schon so weit gelaufen, jetzt schaff ich das auch noch.
Hab ich auch. Und als ich ankam, bot sich mir dieser Blick:
Ich denk mich tritt ein Pferd. Rechts oberhalb vom Dach erkennt man eine Stehle. Das war meine Pagode. Die soll zwar über 1000 Jahre alt sein aber trotzdem machte der Schotterweg plötzlich Sinn. Ok. Wenn ich schonmal da bin, schau ich mir das dazugehörige Kloster noch an.
Keine 10 Sekunden nach diesem Video ertönte ein Schlussgong, es machte Klapp-Klapp und die Mönche strömten heraus, offensichtlich auf dem Weg zu Abendessen.
Au weia.
Wenn die hier jetzt Feierabend machen, muss ich mir langsam echt was überlegen, wie ich hier wieder wegkomme. Außer mir waren noch zwei Frauen da, die beide nicht aussahen, als ob sie 2,5 km über Schotter hierhin gelaufen waren. Sie eilten gerade zu einem Mann, der – Oh Wunder! – ein Golf-Cart hatte! Sie luden mich ein. mitzufahren. Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen.
Die Frauen stiegen am Ende des Schotterweges aus, aber der Fahrer machte den Anschein, dass er in meine Richtung weiterfahren wollte und daher habe ich gefragt, ob er mich noch weiter mitnehmen könnte. Er verstand kein Wort. Aber ihm war wohl klar, dass er mich jetzt an der Backe hatte. Er deutete mir, dass ich mich zu ihm nach vorne setzen sollte und ab ging die Post. Nicht nur bis zum Damm, wie ich gehofft hatte. Nein, er fuhr mich noch komplett über den Damm bis zu einer Bushaltestelle. Das schien ihm wohl die geschickteste Art, mich doch noch wieder loszuwerden. Er hatte nicht ganz unrecht. Aber ich war ihm sehr dankbar. Er hat mir echt den Tag gerettet.
Im Bus funktioniert mal wieder die Bezahlfunktion meinem chinesischen Handy nicht. Das passiert mir regelmäßig in öffentlichen Verkehrsmitteln, aber in diesem Fall will der Fahrer auch kein Bargeld akzeptieren. Eine junge Frau steht auf, zieht eine kleine Plastikkarte aus der Tasche, hält sie vor den Scanner und Piep! ist meine Fahrkarte bezahlt. Ich biete ihr an, das Geld zu erstatten, aber sie winkt nur lachend ab. Freundlich sind sie ja, wenn sie nicht gerade auf einem Mofa sitzen.