China

Barbara Lange

Mount Putuo

29.03.2025

Es ist Samstag. Am Tag zuvor hatten wir hier Regen, der mit einem Temperatursturz einherging – von 25 Grad auf 10 Grad runter. Es regnet nicht mehr, aber es ist immer noch bedeckt und eher ungemütlich draußen. Trotzdem wollen Pang und ich den einzigen freien Tag, den ich in Ningbo habe, nutzen, um Putuo Shang zu besuchen. Der Name hat mir bisher auch nichts gesagt – aber heute erfahre ich, dass es sich hierbei um einen der vier heiligen Berge des chinesischen Buddhismus handelt. Und wer jetzt meint, dass wir ins Gebirge fahren, hat sich gewaltig getäuscht – Putuo Shang ist eher ein Hügel und befindet sich auf einer Insel vor Ningbo. Genau genommen liegt er am Ende einer ganzen Inselkette. Man fährt also mit dem Auto oder dem Zug von Insel zu Insel zu Insel – und landet zum Schluss an einem Passagierhafen, von wo aus es mit einem Schiff weitergeht. Auf der Insel selbst findet man nur Busse. Beziehungsweise finden wir die erstmal gar nicht, weil die morgens nicht bis zur Anlegestelle fahren. Vermutlich aus gutem Grund. Die Menschenmengen müssen dort ein wenig entzerrt werden und das geht am besten, indem man alle nach der Ankunft erstmal ein gutes Stück laufen lässt.

Pang führt mich zum Puyi Tempel. Der schreibt sich zwar genau so, wie der letzte Kaiser von China, wird aber anders ausgesprochen und hat auch nichts mit dem abgesetzten Monarchen zu tun. Im Tempel ist es Pang wichtig, dass ich die Rituale befolge, die alle anderen auch machen. Also, dass ich mich in alle vier Himmelsrichtungen jeweils drei Mal verbeuge und dabei die angezündeten Räucherstäbchen vor der Stirn halte. Sie betrachtet sich selbst zwar nicht als gläubige Buddhistin, aber sie fährt trotzdem in etwa einmal pro Jahr hierher, zum Beispiel, wenn ihr Sohn eine wichtige Prüfung vor sich hat, um für ein gutes Ergebnis zu beten. Und wenn die Prüfung erfolgreich war, fährt sie ein zweites Mal hin, um sich zu bedanken.  Ich tu ihr also den Gefallen, verbeuge mich und werfe dann, wie alle anderen, meine Räucherstäbchen in ein überdachtes Metallbecken, wo sie verbrennen.

Eines sei hier erwähnt: Normalerweise fotografiere ich niemals betende Menschen. Einfach aus Respekt. Und um die heilige Atmosphäre für die Betenden nicht zu stören. Da bin ich echt konsequent. Heute werde ich aber nicht nur beim Verbeugen angerempelt, sondern auch, als ich beim Opferschrein gerade meine Ehrerweisung erbringe. Von heiliger Atmosphäre kann hier keine Rede sein. Alle schieben und schlängeln sich durch, es wird laut gequatscht, gegessen und fotografiert sowieso. Da muss ich mich nicht als einzige zurückhalten.

Neben dem Tempel liegt ein kleines altes Dorf, in dem wir Mittagessen möchten. Das Besondere: Auf dieser Insel gibt es nur vegetarisches Essen. Das stört mich nicht weiter. Offensichtlich haben aber viele Chinesen ein Problem damit. In dem Lokal gibt es eine große Auswahl an Gerichten, bei denen nicht nur Tofu als Fleischersatz verwendet wird, nein die Masse wird auch noch in Form von ganzen Fischen, halben Hähnchen und Surimi gepresst. Und es sind noch nicht mal gute Kopien. Es wirkt, als hätte ein Kind Sandkuchen gebacken.  

Nach dem Essen reihen wir uns wieder in die Menschenlawine ein und wandern herauf auf den Hügel zu der weiblichen Göttin Guanyin. Das Gedrängel wird jetzt noch intensiver, weil sich überall große Gruppen von Gläubigen zusammentun, die immer wieder ein und die gleiche Gebetszeile skandieren und sich nach jeweils drei Schritten auf den Boden knien. Wir bekommen wieder drei Räucherstäbchen. Vor der Statue befindet sich dieses Mal ein langer Marmortisch, auf dem man Opfergaben erbringen kann. Meistens handelt es sich dabei um fünf verschiedene Stücke Obst. An einer metallenen Gebetssäule rubbeln die Menschen Hände, Geldscheine, Handys. Manche versuchen, Münzen in die oberen Öffnungen zu werfen. Als ich Pang dabei fotografiere, werde ich von einer Münze am Kopf getroffen. Aber dafür schafft sie es, ihre in das Loch zu bekommen. Auf dem Bild sieht man sogar die Münze noch, kurz bevor sie in das Loch fliegt.

Pang hatte gleich zu Anfang des Ausflugs gemeint, dass uns ein Tempel reichen würde. Das ist auch richtig. Wenn man alle drei Tempel besuchen möchte, sollte man 2-3 Tage auf der Insel einplanen. Es geht mittlerweile auf 16:00 Uhr zu. Wir laufen am 1000-Schirtte Strand zum Bootsanleger zurück, kaufen etwas getrockneten Fisch, den ich als die chinesische Antwort auf das amerikanische Beef-Jerkey beschrieben würde und fahren dann an einen Strand, der für seine Sandskulpturen bekannt ist. Hier bauen Künstler gerade Sandfiguren von bekannten Musikgruppen auf Holzpodesten auf. Pang erzählt, ab Mai würde hier eine kleine Eisenbahn durchfahren. Ich möchte gar nicht wissen, wie sich dann die Menschenmengen hier drängen werden.

Jetzt gerade ist es hier wohltuend leer. Leider ist das Wetter nicht das, was man sich für einen längeren Standaufenthalt wünscht. Wir fotografieren noch etwas und suchen uns dann ein Fischlokal fürs Abendessen. Der Fisch wird vor unseren Augen aus dem Aquarium gezogen und auf dem Fußboden im Eingangsbereich des Lokals erschlagen.  Es ist alles etwas anders, als ich es gewohnt bin.