China

Barbara Lange

Wolkenkragen und FPP

17.04.2024

Schlag 9:00 geht es am nächsten Tag weiter: Ich halte einen Vortrag über meine eigenen Arbeiten. Nachdem ich am Vortag im Flur zufällig ein Plakat entdeckt hatte, auf dem das Thema der Tagung stand nämlich die Verknüpfung von Tradition mit moderner Technik, gehe ich auch darauf ein, welche Technik und Maschinen ich bei der Erstellung meiner Quilts verwende. Die Stimmung ist locker und gelöst. Spätestens als ich erzähle, dass ich mich mit meinen Handarbeiten im gesamten Haus ausbreite und mein Mann sich mit dem Keller begnügen muss, ist das Eis völlig gebrochen. Am Vortag sind bei keinem der Vorträge Fragen gestellt worden heute gleich das ganze eher einem lockeren Gespräch.

In der Mittagspause bietet meine Dolmetscherin ankomme mir die anderen Gebäude vom Campus zu zeigen. Da kann einem ja schon schwindelig werden. Zu dem Areal gehört eine Bücherei, die nicht nur von innen unwahrscheinlich schön aussieht, sondern auch von aussen beeindruckend ist. Das Gebäude sieht aus, als ob es von einem Riesen auf einer Seite mal eingedrückt worden wäre. In dem dieselben Gebäude, aber beim rückwärtigen Eingang, befindet sich ein Museum, das eine Sammlung von Yunjian , auch bekannt als Wolkenkrägen ausstellt.

Den Ausdruck hatte ich auch noch nie vorher gehört . Die Krägen werden als separates Kleidungsstück angefertigt und bestehen aus vier bis acht Segmenten, die wiederum in kleinere Segmente unterteilt sind. Die einzelnen Teile sind eigenständig gearbeitet und werden nur von dünnen Fäden mit den anderen „Wolken“ verbunden. Yunjian wurden ab dem 14 Jahrhundert bis zur Zeit vom Ersten Weltkrieg getragen. Die Krägen hatten wohl ursprünglich die Funktion, die eigentliche Kleidung vor Verschmutzung zu bewahren, weil sie aber so aufwendig gestaltet sind, wurden sie später nur noch zu Festtagen getragen.

Hier gibt es mehr Informationen dazu.

In einem weiteren Gebäude befindet sich ein riesiger Laufsteg, auf dem die Schüler:innen, die Mode Performance studieren, Modeschauen inszenieren können und selber üben, auf dem Catwalk zu gehen. Ich gebe ehrlich zu, dass ich noch nicht einmal wusste, dass man Mode Performance studieren kann.

Inmitten dieser hochmodernen Gebäude steht ein traditionelles Wohnhaus. Es liegt direkt an einem See, auf dem zwei schwarze Schwäne unterwegs sind. Das gesamte Universitätsgelände wirkt unheimlich edel und entspannt. Es ist eine Oase der Ruhe im Vergleich zu dem Getümmel, dass sonst auf den Straßen herrscht.

Am Nachmittag halte ich einen Kurs zu Foundation Paper Piecing. Auch hier bin ich von der Ausstattung der Kursräume beeindruckt. Die Universität verfügt über mindestens zwei Werkräumen, die mit jeweils 40 Industrienähmaschinen ausgestattet sind. In der Mitte des Raums ist ein langer Bügeltisch mit Dampfbügelstationen aufgebaut. Neben der Kreidetafel ist ein großer Bildschirm angebracht. Auf diesen werden die Bilder einer Kamera projiziert, die fest installiert ist und wahlweise Bilder von dem Zuschneidetisch, oder Nahaufnahmen von der Arbeit an der Vorführ-Nähmaschine aufnimmt. Ich kann also die einzelnen Schritte auf dem Papier erstmal trocken vorführen. Dann wechseln wir die Kameraeinstellung, und die Schüler:innen können die Videoübertragung sehen, die von der Arbeit direkt an der Nähmaschine aufgenommen wird. 40 Schüler um eine Nähmaschine herumzugruppieren wäre ja nun auch ein bisschen schwierig. Diese Lösung ist ausgesprochen elegant. Ich bin auch angenehm überrascht, wie schnell die Schüler:innen die Technik begreifen. Wir werden zwar mit dem Muster nicht komplett fertig, aber sie sind alle restlos begeistert, wie schnell und akkurat sie diese feinen Spitzen nähen können. Am nächsten Tag ist mir übrigens eine Schülerin hinterher gelaufen, hat mir auf die Schulter getippt und mir erzählt, dass sie ihren Kommilitoninnen im Studentenheim ihr Ergebnis gezeigt hat und alle total beeindruckt gewesen wären sie strahlt über das gesamte Gesicht. Am Abend werde ich wieder abgesetzt bei meinem Hotel mit dem Kommentar, dass man für heute den Roboter für mich bestellt hätte. Wie ich bei meinem Zimmer ankomme, steht er bereits wartend vor der Tür und hat mein Abendessen dabei. Im Schlepptau hat er einen lebendigen Kellner, der auch einen Teller tragen muss. Das hatte die Übersetzerin extra für mich organisiert, nachdem ich ihr von meiner großen Enttäuschung am Vortag erzählt hatte. Die leeren Teller holt er allerdings wieder nicht ab. Irgendwie muss ich das noch klären.